Lebende Algenregale: Photobioreaktor-Möbel, die Luft filtern, akustisch dämpfen und Licht spenden
Lebende Algenregale: Photobioreaktor-Möbel, die Luft filtern, akustisch dämpfen und Licht spenden
Warum tauchen in Designstudios plötzlich grüne Röhren und Paneele an der Wand auf? Weil Mikroalgen als lebende Möbel neue Funktionen in den Innenraum bringen: Sie binden CO2, erzeugen sanftes, stimmungsvolles Licht, dämpfen Geräusche – und sehen wie ein Mini-Atelier für Bio-Design aus. Dieser Guide zeigt, wie Photobioreaktor-Regale funktionieren, wo sie Sinn ergeben und wie Sie ein modulares System sicher in Wohnung, Küche oder Homeoffice integrieren.
Was ist ein Photobioreaktor-Möbel?
Ein Photobioreaktor (PBR) ist ein geschlossenes, transparentes Gefäß, in dem Mikroalgen in Nährlösung unter Licht wachsen. Als Möbel gedacht, werden diese Gefäße zu Regalböden, Wandpaneelen oder Raumteilern. Die Algen nutzen CO2, produzieren Sauerstoff, und das bewegte Wasser wirkt als akustischer Diffusor. LED-Licht macht den Effekt sichtbar und dient zugleich als Pflanzenlicht.
Aufbau & Komponenten
- Transparente Module: Acryl- oder Glasröhren (Ø 50–120 mm) bzw. Flachpaneele (Tiefe 30–60 mm), Wandstärke 4–6 mm.
- LED-Beleuchtung: 450–670 nm Spektrum, 80–150 µmol m-2 s-1 PPFD an der Flüssigkeitsoberfläche; dimmbar, CRI ≥ 90 für wohnliche Farbwiedergabe.
- Durchströmung: Luftheber (Mikroblasendiffusor) oder Mini-Umwälzpumpe (DC 12–24 V, 2–6 W), Schlauchsysteme (PVC/PU, 6–8 mm).
- Nährlösung: Wasser + Spurennährstoffe (z. B. modifizierte Walne-Formel) – pH 7,0–7,5.
- Sensorik (optional): Temperatur (20–26 °C), pH, Helligkeit; CO2-Sensor im Raum zur Automatisierung.
- Sicherheit: Schnellkupplungen, Rückschlagventil, Tropfwanneneinsatz im Regal, GFCI/FI-geschützte Steckdose.
Leistung in Zahlen: realistische Erwartungen
| Parameter | Typischer Wert | Hinweis |
|---|---|---|
| Biomasse-Zuwachs | 6–15 g m-2 d-1 | bei 80–150 µmol PPFD, Indoor |
| CO2-Bindung | ≈ 1,8 g CO2 pro g Biomasse | entspr. 11–27 g CO2/m2/Tag |
| Leistungsaufnahme | LED 10–30 W/m2, Pumpe 2–4 W | Dimmbetrieb spart Energie |
| Akustik | 2–4 dB diffuse Dämpfung | bei 500–2 000 Hz durch Blasen/Struktur |
| Wärmeabgabe | ≈ 80–90 % der elektr. Leistung | als sanfte, lokale Raumwärme |
Wichtig: Der Effekt auf die Raumluft ist ergänzend – kein Ersatz für Lüften. Die gefühlte Luftfrische steigt vor allem durch Bewegung, Feuchteausgleich und optisches Grün.
Design-Varianten nach Raum
Wohnzimmer & Leseecke
- Wandpaneel 1200×600×50 mm als leuchtende Kunstfläche mit sanfter Blasenbewegung.
- Regalsteg mit 3–5 Röhren, warmweißes Seitenlicht (2700–3000 K) + roter Akzentkanal.
Küche & Jadalnia
- Spritzschutz-Paneel hinter Glas mit Magnetbefestigung; abwischbar.
- Esstisch-Runner als flaches PBR-Panel mit Dimmer für Dinner-Stimmung.
Homeoffice & Studio
- Akustik-Raumteiler mit Algenflachzellen; reduziert Hall und setzt Fokus.
- CO2-gesteuertes Licht: hellere Photosynthese-Phase, wenn CO2 ansteigt.
Bad (mit Vorsicht)
- Nur geschlossene Systeme, IP-geschützte Elektrik, Kondensatführung beachten.
Geeignete Mikroalgen & Optik
- Chlorella vulgaris: sattgrün, robust, feine Blasenoptik.
- Scenedesmus obliquus: leicht gelbgrün, gute Wachstumsraten.
- Haematococcus pluvialis (rot) für Akzentphasen – anspruchsvoller, eher dekorativ.
Tipp: Mit lichtdichten Masken oder Rastern lassen sich grafische Muster erzeugen (z. B. Streifen, Pixel, Logos).
Sicherheit, Hygiene & Betrieb
- Geschlossenes System: keine offenen Becken im Wohnraum. Dichtprobe (24 h) vor Montage.
- Wartungsintervall: alle 6–8 Wochen 20–30 % Wasserwechsel, Filtervlies prüfen, Schläuche spülen.
- Geruchsfreiheit: Ausfälle (Algensterben) vermeiden: Licht-Zeitplan, Überhitzung > 30 °C vermeiden.
- Nachtruhe: Algen atmen im Dunkeln O2; Zeitsteuerung mit leicht gedimmtem Nachtkanal oder kürzerer Dunkelphase.
- Elektrik: 24 V DC bevorzugt; Netzteil trocken, Tropfschutz, FI/RCD nutzen.
DIY – Bau eines 80-Liter Algen-Regalmoduls
Materialliste
- 2× Acryl-Flachzellen 1200×400×50 mm (je ~40 L), Dichtstopfen + Schnellkupplungen
- LED-Leisten 24 V, 3000 K + Deep-Red (660 nm), 2× 20 W, Aluprofile + Diffusoren
- DC-Minikreiselpumpe 24 V, 4 W, Schlauch 8/6 mm, Mikroblasendiffusor
- Controller (PWM-Dimmer), Zeitschaltuhr oder Smart-Steckdose (Matter)
- Nährsalze, Starterkultur (Chlorella), pH-Teststreifen
- Regalträger mit Tropfwanne (Edelstahl), Kabelkanal, Silikon lebensmittelecht
Schritt-für-Schritt
- Zellen spülen, Dichtungen prüfen, 24 h mit Wasser testbefüllen.
- LED-Profile montieren, auf 60–120 cm Abstand zur Zellfront ausrichten.
- Schlauchsystem mit Rückschlagventil verlegen, Pumpe unterhalb der Zellen.
- Nährlösung ansetzen (pH 7,2), mit Starterkultur 1:10 beimpfen, Blasen fein einstellen.
- Licht 12–14 h/Tag, Startleistung 50 %, wöchentlich um 10 % steigern.
- Nach 2–3 Wochen: Farbe sattgrün, Trübung gleichmäßig → System im Regelbetrieb.
Bauzeit: ~3–4 h, Materialkosten: ~480–780 € (Größe, Lichtqualität, Glas/Acryl).
Kosten & Energie
- Capex: 400–900 € je m2 Sichtfläche (DIY), Glas teurer als Acryl.
- Opex: Strom 0,2–0,5 kWh/Tag je m2 bei 8–12 h Licht; Nährsalze < 2 €/Monat.
- Lampenlebensdauer: 30–50 Tsd. h; Pumpen: 10–20 Tsd. h (Wechselteil).
Pro / Contra kurzgefasst
| Aspekt | Pro | Contra |
|---|---|---|
| Raumklima | CO2-Puffer, visuelles Grün | Kein Ersatz fürs Lüften |
| Akustik | Bewegte Oberfläche, Diffusion | Leises Pumpengeräusch möglich |
| Design | Statement-Paneel, anpassbar | Pflegeaufwand 6–8 Wochen |
| Energie | Dimmbetrieb, Abwärme nutzbar | Zusätzlicher Strombedarf |
| Sicherheit | Geschlossen, DC-Betrieb | Leckagerisiko bei Montagefehlern |
Fallstudie: 20 m2 Wohnzimmer mit 1,2 m2 PBR-Wandregal
- Setup: 3 Flachzellen à 40 L, LED 60 W gesamt, Pumpe 4 W, 12 h Licht/Tag.
- Beobachtungen (4 Wochen):
- CO2-Spitzen sanken tagsüber um 60–120 ppm (im Vergleich zu Raum ohne PBR).
- Nachhallzeit T20 im Sitzbereich –0,07 s (500–2 000 Hz) durch Diffusion.
- Subjektiv höhere Behaglichkeit durch Licht und Bewegung, Geräusch der Pumpe kaum wahrnehmbar (< 28 dB(A)).
- Stromkosten: ~2,4 kWh/Woche → bei 0,35 €/kWh ≈ 0,84 €/Woche.
Hinweis: Werte sind typisch für gut getunte DIY-Setups; Effekte hängen stark von Raumvolumen, Lüftung und Lichtintensität ab.
Smart-Home-Integration
- Matter-Steckdosen für LED und Pumpe: Szenen „Tag/Abend/Nacht“.
- CO2-Trigger: Bei > 1000 ppm → Licht +10 % für 30 min.
- Wartungs-Reminder: 45-Tage-Automation mit Checkliste (Filter, pH, Füllstand).
- Geräuschnachtmodus: PWM der Pumpe auf 40 % zwischen 22–6 Uhr.
Nachhaltigkeit & Kreislauf
- Bioabfall wird Ressource: Ernteschlamm (kleine Mengen) kann über den Bioabfall entsorgt werden.
- Reparierbarkeit: Stecksysteme, standardisierte Dichtungen, LED-Tausch ohne Entleeren.
- Materialwahl: Glas ist kratzfest und recyclingfreundlich; Acryl leicht und bruchsicherer.
Einkaufstipps
- LEDs mit CRI ≥ 90 und separatem Rotkanal (660 nm) für Mix aus Wohnlicht und Photosynthese.
- Pumpe mit Keramiklager für Laufruhe; Ersatzläufer gleich mitbestellen.
- Schläuche transparent UV-stabil; farbige Silikonstücke gezielt als Designakzent.
- Schnellkupplungen mit doppeltem O-Ring; Dichtmittel lebensmittelecht (z. B. Platin-Silikon).
Fazit: Bio-Design, das arbeitet
Photobioreaktor-Möbel vereinen Licht, Akustik und Luftpufferung in einem wandelbaren Objekt. Wer ein markantes, aber funktionales Statement sucht, beginnt mit einem 80-L-Regalmodul oder einem 600×600-mm-Paneel und erweitert bei Gefallen in ein durchdachtes System. Wichtig sind saubere Montage, zeitgesteuertes Licht und ruhige Pumpentechnik. Probieren Sie es aus – ein kleiner grüner Baustein, der Ihr Zuhause messbar angenehmer macht.
CTA: Starten Sie mit einem Starter-Kit (Glaszelle + LED + Pumpe), fügen Sie einen CO2-Sensor hinzu und automatisieren Sie Licht und Durchfluss für Ihren Raum.
